EuGH korrigiert BGH?

Entscheide Bankrecht, Neues aus der Kanzlei

Es ging schon immer ums Geld. Wer will nicht aus den teuren Krediten raus und statt 3, 7% zum Beispiel 1 % Zinsen zahlen. Darlehen vorzeitig beenden und auch noch keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen. Die Darlehensnehmer waren erfolgreich, auch nach der Rechtsprechung des BGH, dies, falls Widerrufsbelehrungen falsch waren. Anderes galt nur dann, falls Banken die gesetzlichen Musterbelehrungen abgeschrieben hatten. Jetzt kommt der EuGH und urteilt ausgerechnet über eine Musterbelehrung des Deutschen Gesetzgebers, dass diese unrichtig ist. Wie groß die Reichweite dieser Entscheidung sein wird ist unklar.

Manche Experten meinen für diese Fälle: kein Widerruf für Verbraucherdarlehen, soweit diese  grundpfandrechtlich abgesichert sind und die Musterbelehrung abgeschrieben haben- Andere meinen – jetzt auch in diesen Fällen Chancen für die Darlehensnehmer erkenne zu können!

Es ist alles andere als eine neue Rechtsansicht gewesen, die der EuGH mit seiner Entscheidung vom 26.03.2020, Az.: C‑66/19 EUGH im Fall der Vorlage der Widerrufsbelehrung einer Kreissparkasse durch das Landgericht Saarbrücken entschieden hat: Wenn ein Durchschnittsbürger als Laie „§492 BGB“ hört, oder liest, kann er im Regelfall nichts damit anfangen. Er weiß nicht wann die nach dieser Vorschrift notwendigen Verbraucherinformationen vorliegen. Er kann nicht berechnen wann die 14 Tages Frist für die Ausübung seines Widerrufsrechtes zu laufen beginnt.

Die Richtigkeit der Tatsache, dass ein Kaskadenverweis auf §492 BGB intransparent ist, ist vom logischen Menschenverstand her eigentlich nicht zu bestreiten.

I.) Der unzulässige Kaskadenverweis:

Eine Formulierung wie die folgende:

„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst nachdem der Leasingnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art der entgeltlichen Finanzierungshilfe, Angabe zum Anschaffungspreis, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“,

sagt dem Verbraucher, der nicht Anlage 6 oder Anlage 7 oder weitere Verordnungen kennt, aus welchen er sich zusammenlesen kann was die notwendigen Pflichtangaben sind einfach eins: Nichts!

Dabei soll der Verbraucher gerade durch den Inhalt der Widerrufsbelehrung bzw. – Information alle Informationen bzgl. seines Widerrufsrechts erhalten und so in die Lage versetzen werden soll, sein Widerrufsrecht (innerhalb der geltenden 14 Tages Frist) auszuüben. Entsprechend nach der Ansicht der Richter am EuGH, dass sich Informationen wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt prägnant aus dem Verbraucherkreditvertrag ergeben muss.

II.) Rechtsgrundlage für den EuGH:

Die RICHTLINIE 2008/48/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. April 2008

über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates

In dieser Richtlinie heißt es unter Ziffer 31 wie folgt:

„(31) Alle notwendigen Informationen über die Rechte und   Pflichte, die sich für den Verbraucher aus dem Kreditvertrag ergeben, sollten in klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag enthalten sein, damit der Verbraucher diese zur Kenntnis nehmen kann.“

Eine Kaskadenverweisung, wie sie in einer Vielzahl von Verträgen vorliegt, würde der Richtlinie in dieser Hinsicht entgegenstehen, urteilt der EuGH.

Wird also in der Widerrufsbelehrung auf § 492 BGB verwiesen und nicht explitzit genannte welche Verbraucherinformationen vorliegen ist die Belehrung unklar. Die Frist für den Widerruf beginnt nicht zu laufen, weil diese nicht vom Verbraucher berechnet werden kann.

Dies entspricht extrem verkürzt dem, was man versuchen kann für alle Verbraucherdarlehen aus der EuGH Entscheidung herauszulesen.

Dass eine Formulierung wie die oben zitierte Kakadenverweisung die selbst auf weitere nationale Rechtsvorschriften verweist, es dem Verbraucher nahezu unmöglich macht, den Umfang seiner vertraglichen Rechte und Verpflichtung zu überprüfen und einzuschätzen, ob alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, die die Widerrufsfrist zu laufen beginnen lassen, wäre wohl auch das Ergebnis einer allgemeinen Umfrage.

Aber so einfach ist das eben aus der Sicht der deutschen Gerichte und des BGH gerade nicht!

III.) Der BGH: Kein Unionsrecht, sondern nationales Recht

Der BGH hatte aber bereits in seinem Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18 darauf hingewiesen , dass das LG Saarbrücken zu Unrecht (überhaupt) den EuGH angerufen hatte, worauf die jetzige Entscheidung des EuGH beruht. Nach Ansicht des BGH kam eine Auslegung von Unionsrecht durch den EuGH von vornherein nicht in Betracht, da durch nationales Recht die EU Richtlinie umgesetzt wurde.

Die Musterbelehrung der Bundesregierung für Verbraucher (grundpfandrechtlich abgesicherte Immobiliar) – Darlehen (?)

So sieht zum Beispiel die ab dem 30.07.2010 geltende Musterbelehrung (vgl. Anlage 6 n.F. (neue Fassung) durch Artikel 2 G. v. 24.07.2010 BGBl. I S. 977) genau eine solche Musterbelehrung vor, die auch die vom EuGH gerügte Kaskadenverweisung enthält. Diese Musterbelehrung gilt ganz allgemein für Verbraucherverträge.

Die Gesetzlichkeitsfiktion: BGH, Urteil vom 12.07.2016, Az. XI ZR 564/15

Eine Bank, die die vom Gesetzgeber erstellte und zur Verfügung gestellte Musterbelehrung in der jeweils geltenden Fassung abgeschrieben und in ihren Unterlagen unverändert übernommen hat, bekam von den Gerichten Recht. Es bestand eine sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion zu Gunsten der Bank: Die Rechtmäßigkeit der verwendeten Musterwiderrufsbelehrung wurde angenommen und der Verbraucher scheiterte hier mit dem Versuch einen Widerruf nach Ablauf der 2 Wochenfrist auszuüben.

Damit konnten nach der (ständigen) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, egal wie nun die Verbraucherschutzanwälte, Verbraucherzentralen oder einzelne Amts-, Land- und Oberlandesgerichte die Transparenz oder Verständlichkeit von Musterbelehrungen für die Verbraucher eingestuft hatten, viele Banken sich der Forderung der Darlehensnehmer nach Rückabwicklung erfolgreich widersetzen.

Und jedes Gericht, welches sich der Ansicht des BGH widersetzte, musste eine besondere Begründung dafür anführen, warum eine Abweichung zur Musterbelehrung vorliegt und die Rechtsprechung des BGH ausnahmsweise nicht anzuwenden ist.

Demnach wäre die EuGH Rechtsprechung des EuGH bedeutungslos, wenn eine Musterbelehrung (ohne Abweichung) verwandt wurde. Außerdem gilt ja die Verbraucherkreditlinie in Ihrer Urfassung gerade eben nicht für die grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen:

Unter Ziffer 14 der europäischen Verbraucherrichtlinie (RL 2008/48EG) heißt es:

„(14) Durch Grundpfandrechte gesicherte Kreditverträge sollten vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen sein.“

Die europäische Verbraucherkreditlinie (RL 2008/48/EG), wie sie in Deutschland umgesetzt wurde, gilt demnach nicht für grundpfandrechtlich abgesicherte Verbraucherkredite. – Allerdings ist feststellbar, dass in den Musterbelehrungen – der Deutsche Gesetzgeber- nach und nach auch Formulierungsvorschläge für grundpfandrechtliche Darlehen vorgenommen hatte. Damit wurde „ein mehr umgesetzt“ als die EU Richtlinie also vorsah. Erst Recht handelt es sich dann aber ja um nationales Recht. Immobilienkredite könnten demnach – auch nach der Rechtsprechung des BGH nur dann wirksam widerrufen werden, wenn Abweichungen von der Musterbelehrung erfolgt sind die „wesentlich sind“ und zu schlechteren Verständnismöglichkeiten zu Lasten der Verbraucher führen.

III.) Analoge Rechtsanwendung – der Verbraucherkreditlinie und Ihres Rechtsgedanken auch auf Immobiliar-Kredite?

Fraglich und diskussionswürdig! – Selbst wenn also die urspr.  EU -Richtlinie nicht für grundpfandrechtliche Darlehen gilt, sondern nur für andere Verbraucherkredite, dann müsste die Rechtsprechung des EuGH – ggf. analog auch auf grundpfandrechtliche abgesicherte Darlehen angewandt werden. Dies, da ja rechtlich – egal ob nach europäischen, oder deutschen Recht etwas Unterschiedliches gelten kann, wenn man auf Formulierungen für Verbraucherinformationen abstellt, die Verbrauchern die Berechnung einer Frist erlauben soll. Egal ob Immobiliardarlehen oder Pkw – Finanzierung: Es geht immer um den Beginn der zweiwöchigen Widerrufsfrist! Es geht immer um die Frage, ob der Fristbeginn berechenbar ist.

Damit liegt aus Sicht der Gesetzgeber und zwar sowohl des europäischen, als auch des Deutschen eine planwidrige Regelungslücke vor, wenn man die Immobiliardarlehen stolze 12 Jahre nach Einführung der Verbraucherkreditlinie einfach „weglässt“. Und immerhin hat der Deutsche Gesetzgeber ja indem er seine Musterbelehrungen, die er ja nur im Rahmen der Verbraucherkreditlinie umgesetzt hat und selbst nachträglich um Formulierungsvorschläge hinsichtlich der grundpfandrechtlichen Darlehen erweiterte, doch selbst ein entsprechend – einheiliches Regelungsbedürfnis – ausgehend von der EU Richtlinie erkannt.

Und im Rahmen einer Analogie – kann der BGH wiederum, eigentlich den Bürgen den Weg zum EuGH nicht verbieten. – Auch die Rechtsprechung des EuGH nicht ignorieren.

Der Widerruf auch eines (Immobiliar)-Darlehens kann, also durchaus einen Versuch wert sein!

Der Bundesgerichtshof tat sich in der Vergangenheit – aus Sicht mancher Bürger und Verbraucherschutzanwälte wenig verständlich – dadurch hervor, lediglich Einzelfragen zu beantworten, die ihm gestellt wurden. Dies ist aber nun mal so in unserer Rechtsordnung. Nach der weiteren und neuen Rechtsprechung des EuGH müsste, nach der Rechtsauffassung die wir besitzen, Gerichte künftig aussetzen und dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vorlegen. Im Rahmen dieser Vorabentscheidung müsste man dem EuGH die Frage stellen, ob aus einem fehlen der Umsetzung der europäischen Richtlinie über Verbraucherkreditverträge (RL 2008/48 EG) vom 23. April 2008 auf (grundpfandrechtlich abgesicherte) Darlehen nun ein direkter Anspruch der Verbraucher aus analoger Rechtsanwendung resultiert. Zwar kann der Verbraucher aus einer direkten Rechtsanwendung unter Zugrundelegung der Rechtsanwendung des BGH sich aus einer Europäischen Richtlinie die gerade nicht grundpfandrechtliche Darlehen betrifft nichts herleiten. Aber das Argument einer Analogie kann auch nicht bei Verwendung einer unverständlichen Musterbelehrung so einfach übergangen werden.

Entsprechend ist es , egal ob PKW Finanzierung oder Immobilienfinanzierung nunmehr in einer ggf. noch größerer Anzahl von Fällen, insbesondere aber denjenigen, in welchen Banken von der Übernahme des exakten Wortlauts der Musterbelehrung abgesehen hatten, lohnenswert den Widerruf auch noch nach Jahren auszuüben.

Weiterhin ist es, unabhängig davon, ob eine Kaskadenverweisung erfolgte oder nicht empfehlenswert die jeweilige Widerrufsbelehrung überprüfen zu lassen.

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