Mein Kind plant eine Weiterbildung! -Welchen Unterhalt muss ich für ein volljähriges Kind zahlen?

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Will ihr Kind eine Weiterbildung oder ein Studium beginnen? Hier erfahren Sie, welchen Unterhalt Sie zu zahlen verpflichtet sind:

 

Die Unterhaltspflicht der Eltern ggü. ihren Kindern folgt aus dem Verwandtenunterhaltsrecht und ist Folge der familiären Solidarität.

Als Eltern sind Sie ggü. Ihren volljährigen Kindern grds. dann unterhaltsverpflichtet, wenn diese außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 I BGB), d.h. wenn

  • deren Vermögen und Einkommen für den angemessenen Unterhalt nicht ausreicht,

oder

  • diesen keine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann (z.B. aufgrund einer Berufsausbildung), § 1610 II BGB.

 

Der wesentlichste Unterschied zum Unterhalt ggü. minderjährigen Kindern besteht darin, dass ggü. volljährigen Kindern beide Elternteile anteilig im Verhältnis Ihrer Netto-Einkünfte (unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts) zu Unterhaltszahlungen verpflichtet sind.

Die im Unterhalt ggü. minderjährigen Kindern gegebene Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuung des minderjährigen Kindes iSd § 1606 III BGB ist nicht mehr anzuwenden.

Die Art und Weise der Erbringung der jeweiligen Barunterhaltspflicht (z.B. durch Barzahlung oder durch Naturalunterhalt z.B. in Form freier Kost und Logis)  ist allein Sache zwischen dem jeweiligen Elternteil und den Unterhaltsberechtigten Kind.

 

Der Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes ist im Einzelnen davon abhängig, ob dieses noch bei einem Elternteil wohnt oder bereits einen eigenen Hausstand begründet hat.

  • Im Falle eines eigenen Hausstands hat der volljährige Unterhaltsberechtigte seitens der Rechtsprechung einen pauschalen Bedarf von 735,00 € monatlich. Dieser beinhaltet 300,00 € für eine Unterkunft.
  • Im Falle der Wohnsituation im Hausstand eines der Elternteile ist der konkrete Bedarf eines volljährigen Kindes abhängig von seiner Lebensstellung, die sich wiederum von der der Eltern ableitet. Entscheidend sind daher die gesamten Netto-Einkünfte beider Eltern, anhand derer die Rechtsprechung mittels der Düsseldorfer Tabelle den konkreten Bedarf des volljährigen Kindes berechnet.

In beiden Fällen wird ein für das volljährige Kind ggf. ausbezahltes Kindergeld voll angerechnet.

Dieser Bedarf deckt nach der Rechtsprechung die Kosten der allgemeinen Lebensführung, d.h. insbesondere die Kosten für Unterkunft, Lebensmittel, Kleidung sowie dem Lebensstandard angemessene Freizeitaktivitäten.

Nicht beinhaltet sind die  Kosten für sog. Mehrbedarf, wie z.B. Nachhilfeunterricht, Mitgliedsbeiträge zum Sportverein, Klassenfahrten, Schul-, Studien- oder Ausbildungsgebühren. Mehrbedarf ist grds. zusätzlich ggü. den Eltern geltend zu machen, und ist (sowohl bei Unterhalt ggü. minderjährigen als auch ggü. volljährigen Kindern) anteilig durch beide Elternteile im Verhältnis ihrer jeweiligen Netto-Einkünfte zu tragen.

 

Die Unterhaltsverpflichtung der Eltern ggü. ihren volljährigen Kindern besteht aber nicht unendlich, sondern erfährt mehrere Einschränkungen:

  • Eine Unterhaltspflicht besteht jeweils nur bei Vorliegen der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils. Diese wird seitens der Rechtsprechung den Unterhaltspflichtigen durch den sog. Selbstbehalt gewährt, der Unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt wird. Dies hat zur Folge, dass lediglich Einkünfte, die über dem Selbstbehalt liegen unterhaltsrechtlich zur Gewährung von Unterhalt heranzuziehen sind. Der Selbstbehalt beträgt:
    • ggü. volljährigen, unverheirateten Kindern, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schul- (≠ Berufs-) Ausbildung befinden, bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres (sog. Notwendiger Eigenbedarf)
      1. beim nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 880,00 € monatlich
      2. beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.080,00 € monatlich
      • Hierin sind 380,00 € für Wohnkosten (warm) enthalten. Übersteigen die Wohnkosten diesen Betrag und sind nicht unangemessen hoch (z.B. durch Bewohnung einer zu großen Wohnung) soll der Selbstbehalt durch das Gericht erhöht werden.
    • Im Übrigen ggü. volljährigen Kindern grds. 1.300,00 € monatlich (sog. Angemessener Eigenbedarf).
      • Hier sind Wohnkosten (warm) in Höhe von 480,00 € enthalten.

 

  • Alle Unterhaltsberechtigten sind grds. verpflichtet, zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs zunächst die Einkünfte aus Vermögen sowie die eigene Arbeitskraft (bei Minderjährigen zumindest in Teilzeit) einzusetzen, § 1602 II BGB.
    • Der volljährige Unterhaltsberechtigte hat zusätzlich sein Vermögen bis zum Vermögensstamm einzusetzen, bevor Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden können, soweit die Verwertung nicht unzumutbar ist (BGH FamRZ 1998, 367, 369; 1986, 48). Bis auf einen Notgroschen in Höhe von ca. 5.000,00 € für plötzlich auftretenden Sonderbedarf kann der Unterhaltspflichtige den Berechtigten daher darauf verweisen, Sparguthaben zu verwenden oder Vermögenswerte (wie z.B. Auto oder Motorrad) zu verkaufen (OLG Zweibrücken FamRZ 2016, 726).
    • Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, die dieser aufgrund der Schul- oder Berufsausbildung erhält (z.B. Ausbildungsvergütungen oder –förderungen wie BAföG), werden grds. im Rahmen einer Unterhaltsberechnung berücksichtigt (BGH FamRZ 1985, 916f.; 2006, 99). Im Einzelnen besteht sogar eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von BAföG-Leistungen, nicht aber zur Aufnahme eines zinsgebundenen Studienkredits (OLG Hamm FamRZ 2014, 565; OLG Bremen FuR 2013, 112; OLG Celle FamFR 2012, 517).
      • Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Einsetzung der eigenen Arbeitskraft liegt dann vor, wenn dem Unterhaltsberechtigten die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (insbesondere aufgrund von Schul- oder Berufsausbildung). Nach Beendigung der Berufsausbildung trifft den Volljährigen grds. die Obliegenheit, sich seinen Lebensunterhalt, auch durch Annahme ggf. fachfremder und unterqualifizierter Tätigkeiten, selbst zu verdienen (BGH FamRZ 1985, 273, 274).
      • Ein trotz fehlender Erwerbsobliegenheit generiertes Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist in der Regel überobligatorisch und wird im Rahmen einer Unterhaltsberechnung nicht berücksichtigt (BGH FamRZ 1995, 475; OLG Jena FamRZ 2009, 1416). Dies gilt insbesondere dann, wenn Unterhaltsverpflichtungen seitens des Pflichtigen nicht erfüllt werden oder es sich um einen Nebentätigkeit zur Aufbesserung des Taschengeldes handelt.

 

Unterhalt für einen Volljährigen wird grds. für den Erwerb einer angemessenen Berufsausbildung geschuldet (§ 1610 II BGB), die es den Kindern ermöglicht, zu einer wirtschaftlichen Selbstständigkeit zu gelangen.

Grundsätzlich geschuldet ist aber nur die (vom Alter des Kindes unabhängige) Finanzierung einer Berufsausbildung, die den Fähigkeiten und Neigungen des Kindes entspricht, die den Eltern wirtschaftlich zumutbar sein muss (BGH FamRZ 2000, 420; 2006, 1100; 2013, 1375), und nicht jede beliebige Umschulung.

  • Grds. bestimmen Volljährige ihre Berufsziele aber selbst, solange diese geeignet sind, den späteren Lebensunterhalt zu verdienen (BGH FamRZ 1996, 798, 799). Ein Studium von lediglich Nebenfächern reicht daher nicht aus (OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 851). Besteht also nach dem bisherigen schulischen Werdegang oder dem Leistungswillen des Kindes keine Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss der weiteren Ausbildung/ Studium, so muss diese seitens der Eltern nicht finanziert werden (BGH FamRZ 1989, 853, 854). Die bloße Nichtzulassung zu einer Ausbildung/ Studium aufgrund zu schlechter Abschlussnoten ist dabei kein Indiz für eine fehlende Eignung für einen bestimmten Beruf (OVG Berlin NJW 1989, 541; OLG Hamm FamRZ 1997, 994).
  • Eine Zumutbarkeit der Finanzierung der Ausbildung durch die Eltern kann insbesondere dann fehlen, wenn diese unvorhersehbar lange dauert (z.B. bei Weiterbildungen) oder die Eltern ihre begrenzten finanziellen Mittel aufgrund ihres Alters auf die Sicherung der künftigen Altersvorsorge konzentrieren müssen (BGH FamRZ 1989, 853; 2013, 1375).

 

Eine Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung einer weiteren, fachfremden Ausbildung (sog. Zweitausbildung) wird nur in bestimmten Ausnahmefällen vorgesehen, insbesondere:

  1. Krankheitsbedingter Ausbildungswechsel des Unterhaltsgläubigers (BGH FamRZ 1993, 1057, 1059; OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 555). Ist die Ausbildung bereits abgeschlossen muss jedoch zuvor eine staatlich finanzierte Umschulung zu einem gleichwertigen Beruf in Anspruch genommen werden (OLG Frankfurt FamRZ 1994, 257ff.).
  2. Nachteilige schulische Entwicklung des Kindes aufgrund gestörter häuslicher Verhältnisse (BGH FamRZ 2001, 757; 2000,420) (dann aber Beweislast beim Kind; BGH FamRZ 2000, 420, 421)
  3. Gewählter Beruf bietet aus, bei Beginn der 1. Ausbildung nicht vorhersehbaren Gründen keine Lebensgrundlage (BGH FamRZ 1977, 629ff.; 1995, 416, 417)
  4. Drängen des Kindes in 1. Ausbildung aufgrund deutlicher Fehleinschätzung der Eltern hinsichtlich der Begabungen des Kindes (BGH FamRZ 2000,420; 2006, 1100; OLG Celle FamRZ 2014, 219; AG Landau FamRZ 2008, 178) oder Abschluss der 1. Ausbildung trotz frühzeitigem Erkennen der falschen Berufswahl (BGH FamRZ 1991, 931ff.)
  5. Begonnene Finanzierung der 2.Ausbildung trotz fehlender Obliegenheit (BGH FamRZ 2001, 1601

 

Eine Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung einer Weiterbildung im Anschluss an eine Berufsausbildung (d.h. 2. Weiterführende Ausbildung oder Studium) liegt nur dann vor, wenn

  • Ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erstausbildung besteht.

Dies ist auch der Fall, wenn bereits bei Abschluss der Erstausbildung beschlossen wurde, die Weiterbildung zu machen und lediglich erst nach 3 Jahren ein Platz ergattert werden konnte, die Wartezeit aber mit einer Teilzeittätigkeit überbrückt wurde (OLG Frankfurt FamRZ 1990, 789; BGH FamRZ 2017, 1132),

nicht aber

wenn erst nach ca. 2 Jahren nach Abschluss der Erstausbildung der Entschluss zur Weiterbildung gefasst oder die entsprechende Zweitausbildung erst nach dieser Zeit aufgenommen wurde, obwohl dies bereits zuvor möglich war (BGH FamRZ 2001, 1601; OLG Hamm FamRZ 1994, 259; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 260).

Zwar wird nach dem Schulabschluss eine gewisse Orientierungsphase zugestanden, diese beträgt aber in der Regel höchstens 1 Jahr (OLG Köln NJW 2012, 2364).

UND

  • Ein enger fachlicher Zusammenhang mit der Erstausbildung besteht,

d.h. die weitere Ausbildung derselben Berufssparte angehört und eine fachliche Ergänzung und Weiterführung oder Vertiefung der Erstausbildung darstellt (BGH FamRZ 2017, 799).

 

Ggf. kann der enge fachliche Zusammenhang zu einer Weiterbildung in der Konstellation Schule – Lehre – Schule (Fachoberschule) – Studium entfallen, wenn bereits bei Beginn der Erstausbildung dieser Weg geplant und mit einem Elternteil besprochen wurde und die Ausbildungsabschnitte zeitlich ineinander greifen (BGH FamRZ 2006, 1100; OLG Celle FamRZ 2007, 929).

Entscheidend ist also, ob die Eltern mit einer Fortsetzung der Unterhaltspflicht rechnen mussten (OLG Brandenburg FamRZ 2009, 2014).

 

Der Verpflichtung zur Finanzierung der Zweit- bzw. Weiterbildung steht die Pflicht der Kinder gegenüber, die Ausbildung zielstrebig zu betreiben und innerhalb angemessener und üblicher Dauer (ggf. zzgl. bis zu 2 weiteren Semestern zur Examensablegung) zu beenden (BGH FamRZ 201, 757; 2013, 1375) und sich danach selbst zu unterhalten.

So müssen die Eltern zwar leichte Verzögerungen und vorübergehendes Versagen des Kindes hinnehmen, verletzt das volljährige Kind aber die obigen Verpflichtungen nachhaltig (z.B. wenn Prüfungen mehrfach nicht bestanden werden, nicht jedoch das bloße Wiederholen eines Schuljahres) und ohne begründete Rechtfertigung (z.b. Krankheit), kann der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfallen (OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 1342; OLG Frankfurt NJW 2009, 235; OLG Schleswig MDR 2008, 510).

Die Eltern haben diesbezüglich das Recht zur informativen Kontrolle der schulischen Leistungen.

 

Für eine individuelle Beratung in einem persönlichen Erstberatungsgespräch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Eine detaillierte Prüfung möglicher Unterhaltspflichten führen wir für Sie gerne im Rahmen einer kostenpflichtigen Beauftragung durch.

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